Die sogenannte „Erziehung zur Arbeit“
Die Zwangsarbeit in den deutschen Kolonien wurde insbesondere vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Interessen der deutschen weißen Kolonisator*innen im Zuge der industriellen Revolution praktiziert. Diese erforderten, dass subsistenzwirtschaftlich organisierte afrikanische Ökonomien durch kapitalistische Produktionsweisen und ein System der Lohnarbeit ersetzt würden. Die Schaffung von Lohnarbeitsverhältnissen erforderte, wie auch die ehemalige Kolonialwirtschaft der Plantagen und des Handels mit versklavten Menschen, günstige afrikanische Arbeitskräfte, als „wertvollstes Aktivum der Kolonien“ deutscher Unternehmen, wie der Chef der Reederei Woermann, Adolph Woermann, 1913 öffentlich erklärte. Dazu wurden zunächst Zwangsarbeitsverhältnisse geschaffen, weil kolonisierte Menschen weder freiwillig als billige Arbeitskraft dienten, noch ihre eigene Wirtschaft aufgaben, sondern dieser brutalen Form der Enteignung und Zerstörung ihrer ökonomischen und sozialen Strukturen und der Unterwerfung unter deutsche Kolonisator*innen Widerstand leisteten.
1885 gewann der Missionar Alexander Merensky einen von der damaligen Deutschostafrikanischen Gesellschaft Berlin ausgeschriebenen Preis für seine rassistische Schrift zur Frage, wie die afrikanische Bevölkerung in den Kolonien am besten „zur Arbeit erzogen werden könne“. Darin schlug er vor, Abgaben der Bewohner*innen an die Kolonialregierungen in Form einer sogenannten „Hüttensteuer“ zu fordern, so dass diese gezwungen würden, Arbeit bei Pflanzern auf Plantagen zu suchen. Hier spiegelt sich die rassistische Argumentationsweise weißer Kolonisator*innen wieder, dass afrikanische Menschen mittels Arbeit „erzogen“ werden müssten, da sie ohne Zwang nicht arbeiten würden. „Arbeit“ und „Zivilisierung“ wurden gleichgesetzt und als Legitimation für die rassistische Kolonialwirtschaft benutzt. Nach dem weißen Pädagogen Anton Markmiller meint Merenskys Begriff der „Erziehung“ letztendlich „nichts anderes als Anpassung eines kolonial erschlossenen Arbeitskräftepotentials an den Bedarf der Kolonialmacht“.
Systeme der Zwangsarbeit
Zunächst galten nach den Gesetzen der Kolonisator*innen in allen Kolonien Arbeiten, die in einem angeblichen „öffentlichen Interesse“ wie dem Straßenbau ausgeführt werden sollten oder Arbeiten auf öffentlichen Baumwollpflanzungen, als „öffentlich-rechtliche Pflicht“, die unentgeldlich erfüllt werden musste. Des Weiteren entwickelten Kolonialverwaltungen komplexe sogenannte „Steuer“- und „Abgabesysteme“, um die afrikanische Bevölkerung zum Arbeiten zu zwingen. Am häufigsten wurden die sogenannte „Hüttensteuer“, die „Kopfsteuer“ und ähnliche Abgaben eingefordert. Es wurde so kalkuliert, dass die eigenen Felder der afrikanischen Bevölkerung nicht ausreichten, um Abgaben zu leisten und darüber hinaus den eigenen Lebensbedarf zu decken. Letztendlich waren Steuern meistens aber so hoch, dass die Grundbedürfnisse auch bei der Leistung von Zwangsarbeit nicht gedeckt werden konnten. Bernhardt Dernburg, damaliger Leiter des Reichskolonialamts, bezeichnete diese gnadenlose Vorgehensweise als eine „vorsichtige Nötigung“ zur Arbeit. So sollten Abgabesysteme auf weniger Widerstand in der Bevölkerung stoßen, als wenn Zwangsaufforderungen zur Lohnarbeit direkt formuliert wurden.
In der Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ wurde die kolonisierte Bevölkerung besonders gewaltvoll in die absolute Abhängigkeit von der Lohnarbeit gezwungen, indem das gesamte Land enteignet wurde. Diese Situation wurde zusätzlich durch sogenannte „vagrancy laws“, oder „Landstreichergesetze“ vervollständigt, die eine Nicht-Ausführung von Arbeit nach der Definition der Kolonisator*innen allgemein verboten. Kontrolliert wurden die genaue Tätigkeit und der genaue Aufenthalt der dortigen Bevölkerung der Herero und Nama ab 1907 mittels Blechmarken mit Registriernummern, die um den Hals getragen werden mussten, und Pässen, die nur für einen Bezirk gültig waren.
Zur Durchsetzung der gesetzlich verankerten Systeme der Zwangsarbeit, aber auch von nicht gesetzlich verankerter Zwangsarbeit, wurden mit Unterstützung der Kolonialregierungen und des Militärs Besitztümer verpfändet, Chiefs wurden verhaftet oder gezwungen, mit Hilfe ihrer Stellung, Arbeitskräfte zu stellen. Dies geschah zudem unter Androhung und Anwendung körperlicher Gewalt. Ganze Dörfer wurden so abgebrannt und Lebensgrundlagen zerstört.
In Westeuropa wurden bäuerliche Bevölkerungsgruppen zum Teil sehr ähnlich durch die Enteignung von Land und Ressourcen und durch die Kriminalisierung der Nichtausführung von Lohnarbeit mit Gewalt in kapitalistische Arbeitsverhältnisse gezwungen. Der Theoretiker Karl Marx beschreibt diese Vorgehensweise, insbesondere anhand von Entwicklungen in England Ende des 17. Jahrhunderts, als eine grundlegende Maßnahme zur Schaffung einer kapitalistisch organisierten Produktion. Während die Ereignisse in „Deutsch-Südwestafrika“ durch diesen Vergleich mit der Entstehung kapitalistischer Produktion in Europa nicht relativiert werden sollen, wird hier der enge Zusammenhang deutlich, der zwischen Kolonialismus und Kapitalismus besteht. Der Vergleich kann zudem zeigen, dass die Durchsetzung des Kapitalismus prinzipiell ein gewaltvoller Prozess ist.
Widerstand gegen die Zwangsarbeit
Viele kolonisierte Menschen in den deutschen Kolonien verweigerten sich der Zwangsarbeit für die weißen Kolonisator*innen und leisteten Widerstand. Einzelne und ganze Dörfer verließen für mehrere Tage ihre Häuser, flüchteten oder wanderten aus. Zudem kam es zu Aufständen wie dem der Nyakyusa im Dezember 1897 im Südwesten „Deutsch-Ostafrikas“ in Reaktion auf den Zwang zur Arbeit seitens der deutschen Regierung. Der große Maji-Maji Krieg 1905/1906, der sich über weite Teile „Deutsch-Ostafrikas“ erstreckte, war unter anderem ein Widerstand gegen stark erhöhte Steuern auf Grundlage eines so behaupteten ständig wachsenden „Bedarfs“ an Arbeitskräften deutscher Unternehmen.
Zwangsarbeit in den Lagern in der Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“
Während der Kriege des deutschen Reichs gegen die Aufstände der Herero und der Nama zwischen 1904 und 1908 in der damaligen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ wurden ab Oktober 1904 über die Kolonie verteilt sogenannte „Sammellager“ und „Konzentrationslager“ unter dem Zivilgouverneur Friedrich von Lindequist durch das deutsche Militär errichtet. Dort wurden Männer, Frauen und Kinder gemeinsam, also sowohl Kriegsteilnehmer wie auch Zivilist*innen noch lange nach dem Krieg bis Januar 1908 interniert. Die Lager dienten aus deutscher Sicht der sogenannten „Befriedung“ des deutschen „Schutzgebietes“, mit anderen Worten, der gewaltvollen Niederschlagung des antikolonialen Widerstands sowie der Sicherung weißer deutscher Macht und Kontrolle. Darüber hinaus wurden sie als Arbeitslager genutzt, in denen die Internierten Zwangsarbeit leisten mussten. Besonders in den damaligen Hafenstädten „Windhuk“ und „Lüderitzbucht“ und auf der „Haifischinsel“ entstanden große Lager, weil dort besonders viele Arbeitskräfte benötigt wurden.
Öffentliche deutsche Erklärungen bezüglich der Lager und der Zwangsarbeit bedienten sich stark der rassistischen Idee der sogenannten „Erziehung zur Arbeit“. So äußerte sich Etappenkommandeur Oberst Cai Friedrich Teodor Dame, der für die Internierten zuständig war, im August 1905:
„Die politische Lage des Schutzgebietes zwingt uns voraussichtlich noch auf längere Zeit die Aufständischen […] als Kriegsgefangene zu behandeln. Die Schutztruppe übernimmt damit neben der Überwachung die meist schwierigere Aufgabe, die Leute zur Arbeit zu erziehen, um sie für spätere Zeiten als ein nützliches Element für die Fortentwicklung des Schutzgebietes zu erhalten. / Daher muss neben der nötigen Zucht und Strenge in der Behandlung etwa Widerstrebender eine richtige Fürsorge für das körperliche Wohl der Leute und für ihre moralische Erziehung obwalten.“
Die Behandlung, die die Herero und Nama erfuhren, hatte allerdings absolut nichts mit „Fürsorge“ oder „körperlichem Wohl“ zu tun, im Gegenteil, etwa die Hälfte der Internierten starb durch die schlechte Behandlung und miserablen Lebensbedingungen in den Lagern
Zusätzlich zu den sogenannten Konzentrationslagern der deutschen Kolonialregierung errichteten private deutsche Unternehmen firmeneigene „Arbeitslager“ in der Kolonie. Die größten Lager darunter waren das Lager der Reederei Woermann und die Lager der Firmen Koppel und Lenz, die jeweils im Auftrag der deutschen Regierung den Bau der „Otavibahn“ im Norden und den der „Südbahn“ im Süden der Kolonie anleiteten. Diese Arbeiten waren allein durch die Zwangsarbeit der kriegsgefangenen Herero durchführbar. So befanden sich Ende Juni 1906 allein im Lager der Firma Koppel ungefähr 2302 kriegsgefangene Herero, von denen 1128 arbeiteten, und 1302 Menschen im Lager der Firma Lenz. Durch ein sogenanntes Leihsystem konnten auch kleinere Firmen wie Wäschereien, Handwerksbetriebe oder Geschäfte und Plantagen Kriegsgefangene gegen eine tägliche Leihgebühr zur Zwangsarbeit heranziehen. Bis zum Bau der Eisenbahnen, der hohe Anzahlen an Zwangsarbeiter*innen erforderte, konnten auch deutsche Privatpersonen einen „Bedarf“ an Zwangsarbeitskräften anmelden. Unter der deutschen Kolonialregierung führten Zwangsarbeiter*innen einerseits im Lager selbst Arbeiten aus, so in „Windhuk“ in der lagereigenen Schuhmacherei, Schneiderei, Wäscherei, Plätterei, Handwerksschule, Nähschule oder in seinen Gotteshäusern. Fast alle ca. achtjährigen Jungen mussten deutschen Soldaten als „Leibdiener“ zur Verfügung stehen. Außerhalb des Lagers wurden gefangene Herero zu unterschiedlichsten Diensten beim Militär oder der Kolonialverwaltung gezwungen. Bei diesen Arbeiten entstand zum Beispiel auch das heute noch stehende Parlamentsgebäude Namibias, errichtet durch die Zwangsarbeit der Herero.
Die soziale Situation und die Ignoranz der Kolonialverwaltung
In den Lagern herrschten schlimmste Lebensbedingungen. Weder Nahrungsmittel, Kleidung, Decken, noch sonstige grundlegende Ressourcen waren im Ansatz ausreichend verfügbar. Ein großer Anteil der gefangen gehaltenen Menschen erkrankte an Skorbut und anderen Krankheiten und musste trotzdem Zwangsarbeit leisten. In manchen Lagern starben zu manchen Zeiten monatlich 18% der inhaftierten Menschen. Frauen waren neben der täglichen Gewalt des Zwangs zur Arbeit, der Lagerzustände und der körperlichen Züchtigungen zudem der sexualisierten Gewalt (u.a. Vergewaltigungen) durch die meist weißen deutschen Soldaten ausgesetzt. Dazu wurde in einem Lager eigens ein sogenannter „Bordellkraal“ errichtet. Infolge häufiger Geschlechtskrankheiten der deutschen Soldaten wurden nicht die Soldaten kontrolliert, sondern Frauen der Herero zwangsuntersucht. Häufig bekamen Frauen trotz der gleichen Arbeit wie die inhaftierten Männer kleinere Essensrationen und wurden ohne Kompensation an deutsche Privatpersonen als Haushaltshilfe gegeben.
Die Herero und Nama leisteten den Lager- und Arbeitsbedingungen Widerstand, indem sie die Flucht ergriffen, sie nutzten Beziehungen und schlossen Abkommen mit Europäer*innen, beschwerten sich bei den Lagerverwaltungen oder setzten sich auch körperlich zu Wehr.
Das Lager auf der „Haifischinsel“
Die Lebensbedingungen auf der von den Deutschen kolonialisierten „Haifischinsel“ waren noch um vieles schlechter als in anderen Lagern. Das Meeresklima führte zu einer großen Zahl an Kranken und Toten unter den Herero und den Nama. Die Situation der Nama unterschied sich grundlegend von der der Herero. Sie wurden von der deutschen Regierung zu einer „Gefahr“ für die Sicherheit des „Schutzgebietes“ deklariert und durften deshalb die Insel zu keinem Zeitpunkt verlassen. Schon nach kurzer Zeit waren sie zu krank, um zu arbeiten. In weniger als sieben Monaten zwischen Mitte September 1906 und Ende März 1907 starben auf der Insel 1203 der 2000 internierten Nama, bevor die Überlebenden im April auf das Festland verlegt wurden. Die Kolonialverwaltung verweigerte sich zuvor vehement einer Evakuierung, sie nahm das Sterben der gefangenen Nama zugunsten einer fingierten „Sicherheit“ entschlossen hin. Ähnlich wurde in Situationen der allgemeinen Lebensmittelknappheit gefangen genommenen Nama und Herero die Nahrung komplett entzogen und den deutschen Soldaten gegeben. Das Leben der deutschen Soldaten und Siedler*innen hatte aus der Sicht der Kolonialmacht zu jeder Zeit Priorität. An Freilassungen der Inhaftierten wurde im Zuge der katastrophalen Unterversorgung nicht gedacht. So starben zwischen Oktober 1904 und März 1907 etwa 7682 Menschen, ca. 45% der „kriegsgefangenen“ Herero und 2000 Nama, in den Lagern.
Kontinuitätsdebatten zur kolonialen Zwangsarbeit und dem Nationalsozialismus
Verschiedene Historiker*innen wie Benjamin Madley, Jürgen Zimmermann oder Elisabeth Hull ziehen explizite Verbindungen zwischen den Lagern in der damaligen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ und den Lagern im Nationalsozialismus. Arbeitslager und Zwangsarbeit spielen dabei eine wichtige Rolle. Im Zentrum steht die rassistische Ideologie der „Vernichtung durch Arbeit“, die für die Historiker*innen nicht nur in NS-Lagern, sondern auch im Lager auf der „Haifischinsel“ stattgefunden hat. Die Praxis auf der „Haifischinsel“ steht demnach in direktem Zusammenhang mit dem Genozid an den Herero und den Nama. Für den deutschen Historiker Jürgen Zimmerer stellt das koloniale Arbeitslager ein Frühstadium einer bürokratischen Form der systematischen Vernichtung durch Arbeit und Vernachlässigung dar. Strukturell wurde dies durch die Zählung und Überwachung der Insass*innen und durch vorgedruckte Todesscheine unterstützt. Der Vergleich der kolonialen Lager mit NS-Lagern bezieht sich dabei ausschließlich auf die „Vernichtung durch Arbeit“ in NS-Lagern. In den Lagern in „Deutsch-Südwestafrika“ fand keine industrielle Massenvernichtung wie im Nationalsozialismus statt.
Der Historiker Jonas Kreienbaum sieht außerdem grundlegende funktionelle Ähnlichkeiten zwischen den Systemen der Zwangsarbeit im Kolonialismus und Nationalsozialismus. Besonders die Praxis der sogenannten Vermietung von Lagerinsass*innen in nationalsozialistischen Außenlagern und kolonialen Arbeitslagern deutscher Unternehmen funktionierte sehr ähnlich. Vor allem in der zweiten Hälfte des 2. Weltkriegs entstand eine ähnliche Situation wie in den deutschen Kolonien, als wegen des großen Mangels an Arbeitskräften ein flächendeckendes System der Zwangsarbeit geschaffen wurde. Zudem tauchte in frühen, offiziellen nationalsozialistischen Erklärungen zu den Konzentrationslagern eine ähnliche Rhetorik der „Erziehung zur Arbeit“ auf. Kreienbaum sieht die kolonialen, „deutsch-südwestafrikanischen“ Lager allerdings nicht als Vernichtungslager, sondern betont die Komplexität und Unterschiedlichkeit von Lagerkontexten und kritisiert deshalb Kontinuitätstheorien.
Kreienbaum ignoriert in seiner Analyse aber vollständig die Systematik des Rassismus und damit einhergehend das Desinteresse, das gegenüber den Herero und Nama in den Lagern herrschte, indem er es mit einer angeblichen „Überforderung“ der deutschen Kolonialregierung erklärt und als ein willkürliches „trauriges Fiasko“ konstruiert. Wie beispielsweise Benjamin Madley betont, stellen die rassistische und genozidale Rhetorik und die institutionalisierte Diskriminierung eine weitere Kontinuität zwischen nationalsozialistischen und kolonialen Strukturen dar. Die Folge davon war die systematische Vernachlässigung und Vernichtung der internierten Herero und Nama in den Lagern.
Das wirtschaftliche Erbe der Kolonialwirtschaft
Mit der Errichtung komplexer Systeme der Zwangsarbeit in den deutschen Kolonien wurde neben der Ausbeutung der Kolonien durch den Handel mit versklavten Menschen die wirtschaftliche Ausbeutung in anderer Form forstgesetzt. Der Zwang in kapitalistische Lohnarbeitsverhältnisse zerstörte wirtschaftliche und soziale Strukturen der kolonisierten Menschen und raubte ihnen häufig jede Lebensgrundlage. Tausende von Menschen starben durch die Gewalt der Zwangsarbeit, insbesondere auch der Zwangsarbeit in den Lagern in „Deutsch-Südwestafrika“ und während der Widerstände gegen die Zwangsarbeit. Deutsche Unternehmen und Kolonisator*innen profitierten von eben diesen Verhältnissen. Ihr Wohlstand basiert noch heute auf den damals erzwungenen wirtschaftlichen Strukturen und abhängigen Arbeitsverhältnissen, genauso wie auch die Armut vieler Menschen in den ehemaligen deutschen Kolonien heute darauf zurückgeht.
Häufig wird für die ehemalige Kolonialmacht Deutschland aufgrund ihres sogenannten „Verlusts“ der Kolonien nach dem ersten Weltkrieg eine wirtschaftliche „negative Kolonialbilanz“ gezogen und hervorgehoben. Die Autor*innen Renate Hücking und Ekkehard Launer kommentieren die Bedeutung dieses Verlusts in ihrem Buch über die Reederei Woermann demgegenüber mit folgenden Worten: „Die ‚Inwertsetzung‘ der Überseegebiete bleibt den Siegern des ersten Weltkriegs überlassen. Auf deutschen Wegen setzen sie die Einbindung Afrikas in den Weltmarkt fort.“ Die wirtschaftliche Ausbeutung, für die in den Kolonien das Fundament geschaffen worden war, wurde in dem Sinne nach der Kolonialherrschaft umso erfolgreicher fortgesetzt.
Schließlich haben die deutsche Regierung, sowie viele deutsche Unternehmen und Siedler*innen nicht nur gewaltvolle Zwangsarbeitsverhältnisse in den damaligen Kolonien geschaffen, sondern sie haben eindeutig davon profitiert und profitieren auch heute von den Folgen.
Literatur:
Bernd Arnold (1994): Steuer und Lohnarbeit im Südwesten von Deutsch-Ostafrika, Berlin (u.a.): LIT Verlag.
Jan Bart-Gewald (1999): The Road of the Man Called Love and the Sack of Zero: The Herero-German War and the Export of Herero Labour to the South African Rand, Journal of African History, 40:1: Cambridge University Press.
Jonas Kreienbaum (2015): >>Ein trauriges Fiasko<<. Koloniale Konzentrationslager im südlichen Afrika 1900-1908, Hamburg: Hamburger Edition.
Susanne Kuß (2013): Sonderzone Eingeborenenlazarett: Geschlechtskranke Frauen inm Kriegsgefangenenlager Windhuk in Deutsch-Südwestafrika 1906. In: Christoph Jahr, Jens Thiel (Hrsg.) (2013): Lager vor Auschwitz: Gewalt und Integration im 20. Jahrhundert, Berlin: Metropol.
Benjamin Madley (2005): From Africa to Auschwitz: How German South West Africa Incubated Ideas and Methods Adopted and Developed by the Nazis in Eastern Europe, European History Quarterly, 35:3: Yale University Press.
Anton Markmiller (1995): Die Erziehung des N* zur Arbeit: wie die koloniale Pädagogik afrikanische Gesellschaften in die Abhängigkeit führte, Berlin: Dietrich Reimer Verlag.
Karl Marx (orig. 1867): Das Kapital. Band 1: Kritik der politischen Ökonomie. http://www.mlwerke.de/me/me23/me23_000.htm. Letzter Aufruf: 06.04.2016.
Peter Schröder (2006): Gesetzgebung und „Arbeiterfrage“ in den Kolonien. Das Arbeitsrecht in den Schutzgebieten des Deutschen Reiches (Diss.), Berlin (u.a.): LIT Verlag.
Jürgen Zimmerer (2011): Von Windhuk nach Auschwitz. Beiträge zum Verhältnis von Kolonialismus und Holocaust, Berlin (u.a.): LIT Verlag.